„Die Zauberflöte“, ein Geschehen zwischen Erinnerung, Erlebnis und Vision

Gegen Ende des 18. Jhts. hatte die Verbreitung der Ideen der Aufklärer (vor allem Kants) ihren Höhepunkt erreicht und wurde von Kirche und Staat bekämpft.  Viele der mutigen Gedanken teilen die Freimaurer, deshalb liefen die Logen ja auch Gefahr, verboten zu werden.

1791 brauchte Br. Schikaneder wieder eine neue Oper für sein Theater. Da kam ihm sowie dem Br. Mozart der geniale Gedanke, ihrem Bund ein unvergängliches Denkmal zu setzen,  und zwar in Form einer Märchenoper, in der die fortschrittlichen Gedanken ausgedrückt werden.

Unter diesem Aspekt entstand der Plan,  mit  Hilfe  der allegorischen Darstellung  ein  Bild  des  augenblicklichen  politischen und geistigen Zustandes im habsburgischen Österreich auf die Bühne zu bringen, und gleichzeitig der in Not geratenen Freimaurerei das unvergängliche Denkmal zu setzen.

Kein anderer Komponist hat die Freimaurerei so verinnerlicht gelebt wie er.  In ihr hat sich der Mensch Mozart gefunden, und in seiner Oper „Die Zauberflöte“   drückt er das aus.

Ich komme darauf noch zurück.

Mit der Öffnung der Loge betreten wir eine andere Welt – einen fiktiven Raum – einen neuen ZUSTAND.

Genau dasselbe passiert mit dem Erklingen der Ouverture als Eröffnung der Oper!  Wir sind nicht mehr die private Person XYZ, sondern anonyme Begleiter der handelnden Personen.

Wir befinden uns in einem ZUSTAND: wir handeln und leiden mit!

Und die Aufgabe der Ouverture besteht ja darin, den Hörer und Zuschauer auf das folgende Geschehen vorzubereiten. Feinsinnig, wie es Mozarts Art ist, führt er uns auf eigenen Pfaden in das Geschehen ein:

Wir Menschen sind allzumal Suchende. So sind es denn drei unbeantwortete  Fragen, die uns Menschen auf dem Lebensweg begleiten. Sie gehören zu einem Komplex, unterscheiden sich jedoch durch ihre Kategorie. Und so hat sie der Meister auch komponiert: Drei gleiche Vorzeichen, aber unterschiedlicher Akkordsatz:

Wer bin ich?“

„Was tue ich hier?

„Wohin führt es mich?“

Besonders bei der Beantwortung der zweiten Frage treten unweigerlich Zweifel auf.

Aber wie drückt man Zweifel musikalisch aus?

 

Die Dichterin  Antje  Thietz-Bartram beschreibt das so:

 

Eigentlich sollte ich ihm dankbar sein,

denn er schützt  mich…

vor dem Leben überhaupt und dem

Verlassensein im Besonderen. Eigentlich…

 

Mozart geht seiner  Suche nach Antworten in einer nachdenklichen Melodie nach: der Zwiespalt offenbart sich im Ungewissen des Tonartencharakters – im Bass zwei Takte tastend ein As-Dur musizierend, während die Oberstimme im f-moll verharrt (T. 4).  Man muss schon mit den noch empfindsamen Ohren der Zeitgenossen Mozarts hören, um einen Tritonus (T. 6) als Missklang zu empfinden (T. 6). Oder er demonstriert Zweifel durch tonartfremde (T.10) bzw. verminderte Akkorde (T. 12).

 

Unentschlossen bewegt sich der Wanderer in kleinsten Schritten auf und ab. Auf seinem weiten Weg gelangt er auf ‚sieben‘ abenteuerlichen Erkenntnisstufen zum erlösenden Lichtblick, der ihn über den  Dominantseptakkord  zurück in die Grundtonart führt:

Der Suchende  ist angekommen.

Das sind erste Grundzüge einer „Tonmalerei“, wie wir sie „eigentlich“ erst  bei C.-M. von Weber  und in ihrer Fortsetzung und Vollendung bei  R. Wagner und R. Strauß  finden.

Damit komme ich auf das Wort „Eigentlich“  der Dichterin  zurück.

Eigentlich sollte nach dem Suchen jetzt die Erlösung einsetzen und das gesamte Orchestertutti im strahlenden Forte erklingen. Mozart hingegen sieht das Ankommen anders,  bei ihm geschieht es völlig unspektakulär im Innern eines jeden Menschen.

Und so komponiert er es auch in einem Geniestreich:

„Eigentlich“ ist  NICHTS zuhören…!  Nur  ein paar vereinzelte Streicher beginnen im piano ein Thema in einem rasant-klopfenden Rhythmus, ähnlich den Bildhauern, Steinmetzen und Maurern, die Steine bearbeiten.

Genau wie es Millionen solcher Handwerker auf der gesamten Erde tun.

 

Erschrocken  verstummen jetzt auch jene Theaterbesucher, die unbedingt dem Sitznachbarn noch wichtige Nichtigkeiten mitteilen müssen, und die aufmerksamen Hörer erkennen:

Aha, jetzt beginnt eine Fuge!

Mozart weicht jedoch den strengen Gesetzen der Fuge aus und behandelt das Thema als Fugato, es lässt ihm die Möglichkeit spielerischen Gestaltens.

Das Ganze spielt sich vorerst in einem drängenden viertaktigen Allegro ab, wird dann erregend durch die erweiterte Teilnahme des übrigen Orchesters, unterbrochen durch  Dialoge der Gruppen der Holzbläser.   Das Ganze steigert sich dynamisch und endet abrupt mit drei Akkorden.

Finden wir hier einen Hinweis auf das  Freimaurerpatent Joseph II.?

Wieder erklingen drei erhabene Akkorde, aber diesmal ganz anders:

sie erklingen im Dominantakkord von Es-Dur, zeigen keine Veränderungen im Bass und steigern sich einzig und allein durch die erste Flöte.

Jetzt ist das kein Fragen mehr!

Das ist eine bewusste Bestätigung:

Hier bin ich!     Ich will es!     Ich kann es!“

Analog zur Tonart  zeigt sich hier auch die Verwandtschaft zu den drei Säulen der Freimaurer:

Weisheit – KraftSchönheit!“

 

Statt der suchenden Melodie geht es sofort über in das Allegro des  unermüdlichen Hämmerns. Aber  keine simple Wiederholung des ersten Teiles. Nein! Ein völliger Neubeginn! Das 4-taktige  Fugato erscheint jetzt als ein konzentriertes 2-taktiges, das sich im Laufe des Geschehens teilweise sogar um Zählzeiten verschiebt (Takte 117, 148 ff). Diese dramatischen Steigerungen weisen auf Differenzen hin. Wiederholt ergeben sich Dialoge zwischen den Holzbläsern (185 ff & 194 ff), bis das gesamte Orchester das Geschehen an sich reißt, zu einem sieghaften Ende drängend, das dann wieder mit drei Akkorden unvermittelt folgt:

sein ganzes Freimaurererleben lässt Mozart an uns vorüberziehen:

Fragen – Suchen – Zweifel – Ankommen – Einschnitt – Bestätigung – Not – Kampf – Zuversicht!

Nr. 1 Introduktion – Ouverture

-.-.-.-.

Jens Oberheide, der Großmeister der AFFuaM, schreibt in einem Flyer:

„Es gibt mehrere Märchen, die als Vorläufer der Oper dienen können.

Doch man muss weg von ihnen, hin zur Deutung, die hinter den vielfältigen Symbolen steckt!“

Deshalb sehen wir uns jetzt mal das entkleidete Geschehen der Oper an.

Alle handelnden Personen der Oper sind allegorische Figuren!

Als ich mich das erste Mal mit der Oper beschäftigte, musste ich schmunzeln: Der strahlende Held   fällt gleich in den ersten 5 Minuten in Ohnmacht. Wie will er denn die restlichen 4 Stunden überleben?

Gott sei Dank war die Oper dann doch nicht so lang!

Aber wer ahnt denn auch, dass man bereits in den ersten Minuten der Aufführung mit der kritischen Betrachtung einer ganzen Epoche konfrontiert wird…

 

Alle Menschen irren durch das Leben und suchen einen Weg!

Oder einen Ausweg?

Auch Tamino hat sich verirrt, er ist also ein „Suchender“!

Der Melodik des tastenden Suchens der Ouverture begegnen wir im Hilferuf des Tamino wieder, hier allerdings im Allegro. Auch hier die verminderten Klänge und unsicheren Halbtonschritte: er fühlt sich, wehrlos und ohne Waffen, von der Schlange angegriffen und fällt in eine hilflose Ohnmacht:

Die Ohnmacht des Menschen vor der „Erbsünde“?

Denn die Begegnung mit der Schlange konfrontiert uns mit  der Versuchung Adam und Evas im Paradies. War das damals nicht auch schon ein Angriff? Hätte das Paar nicht in jener fragwürdigen Unaufgeklärtheit verharren müssen, wäre ihm  als Ergebnis der Erkenntnis seiner Blöße und der damit verbundenen erotischen Anziehungskraft die Ausweisung aus dem Paradies erspart geblieben. Weiterhin die Konsequenz, das künftige Leben mit Tränen und Schweiß meistern zu müssen. Und uns  die unermüdliche und stupide Erinnerung der Kirche an die „Erbsünde!“

Ich erinnere an den Vortrag von Br. Berkay Güres, einem Moslem, wo er ähnliches erwähnte:

Die Gefährlichkeit der Frau als „biologische Versuchung“ (Fitne) ist demnach in beiden Religionen (Christentum – Islam)  problematisch.

Also lassen wir die Frau einfach außen vor…?!

Hier wird einer möglichen Erkenntnis des Suchenden durch die Schlange mit deren Zertrennen in drei Teile begegnet – mit Hilfe der Drei Damen,  die im Dienste der Königin der Nacht,  nämlich der Kirche, stehen.

Diese Handlung lenkt die Aufmerksamkeit auf das Kreuz der Christen: also  quasi im Namen der Dreieinigkeit? Und siehe da, auch Mozart fand das naheliegend, denn er hat eine Folge von 4 Tönen J. S. Bachs  für das Symbol des Kreuzes  übernommen. Diese Folge von vier Tönen mit dem Text  „die Königin er-<lässt die Strafe > dir durch mich“  wird von der ersten Dame gesungen und steht analog zur sakral beschließenden Armbewegung der Absolution.

Anschließend entfernt sie dann das Schloss vom Mund des Papageno. (I.8)

Vorher im Geschehen erscheint ein junger Schlagetot, der Papageno, der seinen Lebensunterhalt damit bestreitet, die Vogelwelt zu dezimieren. Im Dialog mit dem Prinzen stellt sich heraus, dass er absolut nichts kennt & nichts weiß. Da taucht die interessante Frage auf:

Ist ein Unwissender überhaupt ein Mensch?     Unmündig, manipulierbar?

Das ist ein Hinweis auf Kants These: wie wird Unmündigkeit überwunden?  =

Das Leben in eigener Verantwortung führen.

Diese Frage wird denn auch sofort beantwortet – allerdings indirekt!

P. erhält keine Weihen, aber seine Treue zu Tamino wird belohnt: er bekommt die Papagena!     Warum wird das so betont?

Vergegenwärtigen wir uns die Situation doch einmal:

Ein Adliger sieht sich hoffnungslos in Lebensgefahr und verliert die Besinnung. Nach seinem Wiedererwachen sieht er als ersten Menschen seinen Retter Papageno. (I/2)

Wenig später schwebt eine Adlige durch den Angriff Monostatos´ in Lebensgefahr, auch sie kämpft vergeblich, fällt ohnmächtig nieder und wird gerettet von Papageno. (I/11)

Zufälle?

Nein, die Duplizität der beiden Ereignisse ist eine höchst interessante Konzeption Schikaneders, denn beide – Tamino wie Pamina –  sehen nach dem Erwachen einem Menschen als Retter in die Augen,  dessen naive,  primitiv-animalische Stufe (wo Hunger – Durst – Trieb vordergründig überwiegen)  in jedem Menschen vorhanden ist und in täglicher, unermüdlicher Arbeit überwunden werden muss –

In dieser Parallelität des Geschehens steckt viel mehr Überlegung, als man sofort erkennt, und damit gewinnt die Rolle des Papageno eine bedeutende dramaturgische Aufwertung!

Papageno ist die Verkörperung des rauhen Steins!

Aus diesem Grunde wird der Papageno als urtümliches Wesen auch von Mozart musikalisch einfach, richtig volksliedhaft, dargestellt.

Wenige  Jahre  später  kommt  ein  anderer  Mann in diese  Gegend, ein Doktor Faust; der war schon klüger, denn er wusste, dass er nichts wissen kann…

Aber die Frage nach dem „Mensch-sein-dürfen“ wird dort ganz anders behandelt!

Nr. 2 Arie des Papageno.

-.-.-.-.-

Jetzt richten wir unser Augenmerk erst mal auf Pamina,  sie ist die Allegorie auf die Religion – auf den Glauben!

Diese Tochter  wurde der Königin geraubt, von  einem „Bösewicht“!

Aber warum geraubt? Sarastro sagt dazu: „Die Kirche hofft, durch Blendwerk und Aberglauben das Volk zu berücken, aber Pamina ist für Tamino, den noch Suchenden, bestimmt! Darum entriss ich sie der Mutter!“ (II.1)

Womöglich hat aber Pamina die Mutter gern verlassen, weil der „Verführer und Bösewicht“ ganz einfach die besseren Argumente hatte?

Dem etwas entgegen zu stellen, war die Königin zu schwach!

So teilt auch die Königin ganz klar die Überzeugung, dass es an glaubhaften Gründen für den Verbleib der Religion bei dieser Kirche fehlt.

Die Drei Damen hingegen hängen dem Papageno ein Schloss vor den Mund und bieten dem Tamino sofort eine zukünftige Braut in die Hand an: das Versprechen großen Ruhmes  und ewiger Glückseligkeit! – im Bildnis der Pamina.

Tamino erkennt den Zusammenhang noch nicht, deshalb lässt er sich zunächst in ein Mordvorhaben einspannen:

„Der Bösewicht falle von meinem Arm!“

Nr. 3 Arie Tamino: „Dies Bildnis ist bezaubernd schön“

-.-.-.-.-.-

Monostatos: Mit ihm ist aber kein Schwarzafrikaner zu verstehen, sondern – wie der Name sagt –  ein Mensch, der in einem ersten Status verharrt. Er lebt zwar im Umkreis des Sarastro, hat aber  nichts begriffen, ist gewissenlos und verbrecherisch.  Mit dieser Bezeichnung soll seine Unveränderlichkeit ausgedrückt werden. Der rassische Ausschluss lässt aber die Vermutung zu, dass es sich um die Kontrastfigur eines Illuminaten – also eines “Nichterleuchteten” –  handeln könnte.  Solch ein Mensch kann zu vielen dunklen, nämlich “schwarzen” – durch die Kirche inspirierte – Machenschaften missbraucht werden.

Ein anderer Gedanke führt zu den jungen Priestern. Die glauben das Zölibat mit Leichtigkeit ertragen zu können, erkennen die Schwere der Last erst im Laufe der Zeit. Die Zucht des Zölibats führt zwar dazu, dass das erotische Begehren durch ein ästhetisches Idol ersetzt wird, das in einem Marienkult gipfelt. Jedoch vermag die Vergeistigung des körperlichen Begehrens nicht völlig dessen Martern zu ersetzen. Sie geraten in Nöte, unterliegen der Versuchung und veranlassen ihren „Chef“ dann zu Entschuldigungsreisen wie kürzlich in die USA.

„Es kann der Frömmste nicht im Frieden leben, wenn ihm die schöne Nachbarin gefällt!“

Das führt uns die Schwierigkeit vor Augen, den rauhen Stein stetig zu bearbeiten…!

Im Folgenden (2/8) rettet die Königin ihre Tochter aus Monostatos Armen!

Eine ganz böse Anspielung: die Kirche muss die Jungfrau vor dem Priester retten!

-.-.-.-.

Plötzlich grollt ein dreimaliger Donner!

Tamino, ganz erschrocken: „Ihr Götter, was ist das?“

Drei Damen: „Fasse dich! SIE kommt!“  (I.5)

Dabei hatte Papageno gesagt, dass nie ein Sterblicher sie sehen könne!

Und nun  geschieht etwas Ungeheuerliches! Oft geschildert,  nie gesehen  –  Fatima & Lourdes, das gibt´s ja erst später, aber jetzt, hier, leibhaftig in Wien:   eine MARIENERSCHEINUNG?

Auf der Bühne?          Ein Sakrileg!

Das ist die hintergründigste und damit gefährlichste Stelle der Oper! (I.6)

Tamino ist wie betäubt und kann´s immer noch nicht fassen: „Ist´s denn Wirklichkeit, was ich sah? Oder täuschten mich meine Sinne?!?“ (I.7)

Nach dem Eingeständnis ihrer Machtlosigkeit fordert die Königin später auch die Tochter zum Mord an Sarastro auf: die „Ketzer“ und Aufsässigen gehören nicht nur totgeschwiegen, sondern vernichtet. Das entspricht genau der Situation um 1791, kurz nach der Französischen Revolution! (II.8)     *

Nr. 29 Arie Königin: „Rachearie“ -.-.-.-.-.-Pause?

Sarastro  – als Vertreter der Aufklärung – will den Glauben endgültig von der Kirche trennen,

Glaube und Aufklärung miteinander verbinden.

Das stößt natürlich  auf den Widerstand des Klerus! Alle sogenannten  „Lügner“ sollen – wie Papageno  – ein Schloss vor den Mund bekommen. Nicht nur die Wiener wussten, wer die Leute waren, die anderen den Mund verbieten wollten. (Irgendwie kommt uns das doch bekannt vor, oder?!)

Sein Auftritt „Zur Liebe will ich dich nicht zwingen“ klingt, als ob er selbst in Pamina verliebt sei.   Es wird nirgends ausgedrückt, aber man kann sich vorstellen, dass er einen persönlichen Grund gehabt haben wird und den aus Gründen der Verwirklichung seines höheren Planes aufgibt.

Ich komme darauf gleich zurück!

Sarastro äußert sich dazu: „Ein Mann muss Eure Herzen leiten, denn ohne ihn pflegt jedes Weib aus seinem Wirkungskreis zu schreiten!“

Alice Schwarzer würde das eventuell als „Machogehabe“ bezeichnen,  aber dem Vorwurf lässt sich entgegnen, dass es hier um die  Allegorie einer Machteingrenzung der Kirche geht. Deutlich ergänzt  Sarastro diesen Gedanken, wenn er zu Pamina sagt: „In diesen heil´gen Hallen kennt man die Rache nicht.  Deine Mutter  soll beschämt in ihre Burg zurückkehren.“

Der Philosoph reagiert großmütig und verzichtet auf Rache in der Gewissheit, dass letzten Endes seine Überzeugung siegt – der Glaube an die den Menschen innewohnenden Kräfte, und dass der Himmel dem Jüngling Mut und Standhaftigkeit schenken möge! (NB: Mozart äußert im Brief an den Vater:   „Nichts ist schändlicher als die Rache!“ und bringt diesen seinen Standpunkt auch in der Oper „Die Entführung aus dem Serail“  und auch anderswo zum Ausdruck.  (Eine der Säulen der Freimaurerei ist ja die Toleranz)

Hin- und hergerissen, ja gepeinigt von Zweifeln (Ouverture!!!) wegen seines Auftrags der Königin einerseits und dem ernsten Gespräch mit dem Priester andererseits gleicht Taminos Frage jener, die uns in der „dunklen Kammer“ bewegt:

„Oh, ew´ge Nacht, wann wirst du schwinden? Wann wird das Licht mein Auge finden?“

Die weihevolle Antwort wird durch den Chor und die Posaunen gegeben:

„Bald, Jüngling, oder nie!“  (I.15)

Die erste Prüfung des Schweigens muss Tamino allein – also ohne Pamina  – bestehen. Das  erinnert an unseren Ritus des Nachdenkens sowie der Verpflichtung zum Schweigen über die eigenen Handlungen und Taten.

Der Glaube und der Suchende  – verkörpert in den Personen Pamina und Tamino – beide werden erst in der dritten Prüfung durch Feuer und Wasser (allegorisch für Gewissen und Vernunft) geläutert. Dann haben sie sich  von der  jahrhundertelangen Irreführung  und dem Missbrauch der Menschheit durch die Kirche  ab–  und einem alternativunabhängigen Denken, nämlich der dem Menschen innewohnenden Religion, zugewandt.

Ich erinnere da an Kant, welcher sagte:

„Man muss sich kein Gewissen anschaffen. Jedem Menschen wohnen die sittlichen Gesetze  inne.“

Religion, sittliche Gesetze und Gewissen – diese drei Begriffe stehen gewissermaßen  füreinander!

Eine andere, die wichtigste Szene (II, Nr. 1) beschreibt, wie Sarastro mit den Priestern um die Aufnahme Taminos ringt: „Wenn der Prinz aber in den Prüfungen um die sittlichen Gesetze unterläge?“

Darauf Sarastro: „Er ist mehr als ein Prinz – er ist Mensch!“

Bitte, erinnern wir uns: Die Leibeigenschaft wurde erst 10 Jahre zuvor (1781) durch Joseph II. aufgehoben. Zu dieser Zeit musste der weitgereiste Künstler Mozart im Dienst des Erzbischofs von Salzburg noch unter der Treppe bei der Dienerschaft essen und bekam bei der Abgabe seiner Kündigung vom Grafen Arco einen Fußtritt in den Hintern.

Ist da der Freimaurerorden nicht eine totale Umkehr seiner Werte?

Hier erkennt Mozart seinen Wert:

Er ist nicht adelsgebürtig – er ist ebenbürtig, sie sind Brüder!

„Hier bin ich Mensch – hier darf ich´s sein!“ heißt es später auch beim Br. Goethe. Es wird darauf angespielt, dass niemand dulden soll, etwas anderes als sittlichen Anspruch über sich zu haben! Auch nicht aus dem Versprechen auf ewige Seligkeit heraus zu handeln, sondern aus der Erkenntnis eigenen Vermögens „sich selbst zu führen“.

Somit ist diese Feststellung ist eine viel umfassendere Aussage, als man gemeinhin annimmt:  Es ist die Umkehr der Vertreibung aus dem Paradies gemeint –  nämlich Mozarts Vision von der Rückkehr aus einer „profanen“  in die

„mit ethischen Grundsätzen gelebte Welt  der Freimaurer“!

 

Damit steht die Frage: Muss das eine Vision bleiben?

Auch dazu gibt es eine klare Aussage:

Warum hat Sarastro so ein großes Interesse an Tamino?

Tamino wird das Herrschaftsgebiet seines Vaters erben, dazu – als Ehemann der Pamina –  das der Königin der Nacht.

Damit könnte die friedliche Vereinigung zweier religiöser Anschauungen  mit einem ohnehin gemeinsamen Ursprung in  Orient und Okzident gemeint sein.

Als ein mächtiger Herrscher zweier Reiche  und als Leitfigur des Bundes  vereint er die irdische Macht mit der Weisheitslehre – quasi auch eine Fortführung und Vollendung der Arbeit Joseph II.

– oder auch Gandhis:

Die Vollendung der Vision Mozarts?  Die Zeit lässt reifen!

Nr. 15 Arie des Sarastro: „In diesen heilgen Hallen“   -.-.-.-.

In meinen Ausführungen haben Sie vielleicht bemerkt, dass mein Ton mitunter etwas sarkastisch oder ironisch war. Das hat seinen Grund:  ich möchte damit das Wesen Mozarts unterstreichen, das dessen Schwager und  Ordensbruder Joseph Lang  in seiner „Selbstbiographie“ schildert:

„Mozart machte mitunter Späße einer Art, die man nicht an ihm gewohnt war. Entweder verbarg er vorsätzlich aus nicht zu enthüllenden Ursachen seine innere Anstrengung unter äußerer Frivolität, oder er gefiel sich darin, die göttlichen Ideen seiner Musik mit Einfällen platter Alltäglichkeit in scharfen Kontrast zu bringen und sich durch eine Art Selbstironie zu ergötzen.“

So äußert er seine Abneigung gegen die Illuminaten, dass er deren Gepflogenheit, sich mit antiken Namen zu schmücken, auf seine Weise parodiert,  indem er sich als „Punkitititi, seine Frau als Schabla Pumfa,  usw. bezeichnet. (Brief an Gottfried von Jacquin in Wien [Alf. Einstein])

In dieser   Einschätzung können Sie nachempfinden, wie vielschichtig sich die Natur Mozarts  dem Außenstehenden zeigt.

Der offene Krieg von  Kirche und Staat unter Zensor Stattler und Kaiser Leopold II. gegen Aufklärung und Freimaurerei hatte in Wien einen vorläufigen Höhepunkt erreicht! Nur der Tatsache, dass das  Libretto der „Zauberflöte“ einige Tage vor dem Wechsel der Zensoren innerhalb der Behörde durchhuschen konnte, verdankte die Oper die ersten Aufführungen.

 

Helmut Perl: in „Der Fall Mozart“, im 9. Kapitel schreibt er darüber:   ich zitiere:

Ein höchst trauriger und schmachvoller Gegenstand.

An den Aufführungen der Oper ließ sich nichts mehr ändern.

Aber der Tod Mozarts gab dem Klerus Gelegenheit zur Rache:

Pater Peter Fast und der Kurator Anton Spendou, beide arbeiteten dem Kaiser Leopold II. in die Hand. Die kirchliche Kompetenz konnte von ihm jedoch nicht angetastet werden und deshalb befahl er Gottfried van Swieten, das billigste Begräbnis zu wählen. Und weil der sich weigerte, so einen unehrenhaften Abgang Mozarts zu organisieren,  wurde er sofort entlassen und mundtot gemacht!

Das sind gleich zwei Fliegen mit einer Klappe: Der Kaiser entledigte sich eines höchst verdächtigen  Beamten und überließ  dem Klerus die ordnende Aufgabe.

Damit war  er jedenfalls aus allem heraus!

Ein erhaltenes Handbillett des Kaisers bestätigt diesen Vorgang und es ist in der Tat der einzige Beweis der diskriminierenden Vorgänge um Mozarts Tod!

Das kaiserliche  Dekret besagte: „Jedem steht frei, sich mit dem öffentlichen Gepränge der Religion, zu welcher er sich bekennet, begraben zu lassen.“

Die Kleriker konnte das in ihrem Sinne auslegen: Mozart hat sich in seinen Werken  nicht zur katholischen Kirche bekannt, er wurde stillschweigend exkommuniziert, und die Bestattung mit Gepränge unterblieb!

Aus allen bisherigen Biographien geht nur eines hervor, dass sie sich in diesem Punkte widersprechen!  Anhand der geordneten Fakten bleiben einzig die hier geschilderte Indizien der Vorgänge:  Sein Tod  wurde in Wien  ignoriert,  die Witwe abgeführt, die Leiche verscharrt, aus Mozart wurde  –  ein „verkanntes Genie“!

Während man in Prag ihm zu Ehren ein Gedenkkonzert veranstaltete, über das die Wiener Presse berichtete, blieb das Hinscheiden des weltbekannten Meisters  in Wien unkommentiert.

Selbst in der Loge wurde die inzwischen gedruckte  Trauerrede erst nach 5 Monaten gehalten. Die Formulierung „kaum sind einige Wochen vorüber“  lässt ahnen, dass das nicht freiwillig geschah, sich mit einem „traurigen und höchst schmachvollen Gegenstand“ so spät zu beschäftigen. Ohne es näher auszudrücken, ist offensichtlich, dass nicht der Tod als schmachvoll anzusehen ist, sondern die ehrenrührige Beseitigung der Leiche des Bruders Mozart an unbekanntem Ort, ohne Begleitung der  Brüder!

Es scheint, als gäbe es nur eine Erklärung: es war wegen der Gefahr einer Verfolgung durch Kirche und Staat nicht anders möglich!“

Zitat-Ende

Abschließend möchte ich deshalb feststellen:

Mozart war nicht nur Katholik, sondern auch ein sehr belesener, zeitkritischer Denker. Der Philosophie eines Immanuel Kant konnte er sich nicht verschließen. Und auch der dem so nahestehende Inhalt der Freimaurerei entsprach Mozarts innerstem Wesen so vollkommen, dass er auf die Gestaltung der Oper wesentlichen Einfluss nehmen musste. Er konnte sich nur im Bruderkreise durch Aufklärung und Lernen dem Ziel von Weisheit, Stärke und Schönheit nähern und es zu erreichen versuchen.

So gesehen sind die Gedanken und Riten der Freimaurer nicht nur der eigentliche Gegenstand der Oper, sondern auch das Mittel, quasi die Schiene, den Gedanken der Aufklärung zu transportieren!

Damit scheint sich meine Annahme zu bestätigen, dass „Die Zauberflöte“ ein „Denkmal der Freimaurerei“ und zugleich das „philosophische Testament“  W. A. Mozarts ist, diesem weltumfassenden Genie mit der unverwechselbaren Mischung aus Eingebung, Genialität und Sendungsbewusstsein  – sein persönliches „Credo“!

Ein Vision der Welt von morgen…

Es geschehe also!

Nr. 41 Drei Knaben: „Bald prangt, den Morgen….“

Quellen:

Gespräche mit Prof. Dr. Dieter Härtwig, ehemaliger Chefdramaturg der Dresdner Philharmonie;

Partitur und Textbuch zur Oper „Die Zauberflöte“ von W. A. Mozart;

Walter Schulz: Die Zauberflöte – eine Freimaureroper, (ein Internetaufsatz)*;

Jürgen Kober: “Die vier Elemente”, (ein Internetaufsatz);

(google: Die Zauberflöte, eine Freimaureroper,  erste Angabe: internetloge.de anklicken);

Mozarts Tod im Internet;

Volkmar Braunbehrens: “Mozart in Wien”;

Alfred Einstein:  „Mozart, sein Charakter, sein Werk“

Wolfgang Hildesheimer:  „Mozart“

Helmut Perl:  „Der Fall Zauberflöte”;

Helmut Perl: „Der Fall Mozart“; (* 100, 264, )

Harald Strebel: „Der Freimaurer Wolfgang Amadé Mozart,

J. W. von Goethe: Faust I. Teil

Josef Heller: Kants Persönlichkeit und Leben.

Helmut Reinalter: Mozart und die geheimen Gesellschaften seiner Zeit (2006)

Götz Friedrich: Die humanistische Idee der „Zauberflöte“ (DDR 1953 !)

Jens Oberheide: Flyer zum Freimaurerorden

Antje Thiele-Bartram: Aus dem Füllhorn des Lebens  (Gedichte)

 

Zeittafel:

1694      Voltaire *

1732    Haydn *,  Beginn der „Wiener Klassik“

1733     Wieland *,  galt als der berühmteste Dichter seiner Zeit. Wurde von der

“Sturm-und Drang-Gruppe” um Herder, Goethe und Voß attackiert und

niedergemacht.

1749     Goethe *

1756     Mozart *

1765     – 1785 Sturm und Drangzeit

1770     Beethoven *

1776     Hofrat Wieland, Minister Goethe und Generalsuperintendent Herder in

Weimar

1781 – ´90 Zeitalter der Aufklärung unter Joseph II., er hebt die Leibeigenschaft auf.

1781     Kant: “Critik der reinen Vernunft”

1784     Mozart, Loge “Zur Wohltätigkeit”, Kant: “Was ist Aufklärung?”

1785     “Freimaurerpatent” Josephs II.

1786     Friedrich II. gestorben, Goethes Italienreise

1788     Kant: “Critik der practischen Vernunft”

1789     G. Washington wird erster  US-Präsident, Französische Revolution

1790     Joseph II. gestorben, Leopold II. wird Kaiser,  Kant: “Critik der Urtheilskraft”

1791     Uraufführung der „Zauberflöte“, Tod Mozarts